EuroRail

Einen schnellen Niedergang legte die 2000 gegründete EuroRail hin: Nur rund 1 ½ Jahre bestand die Gesellschaft, die im Herbst 2001 in einem kaum durchsichtigen Nebel aus Fehlkalkulation und Zank wieder von der Bildfläche verschwand. Die meisten Beteiligten sind aber auch heute, wenn für andere Unternehmen, nach wie vor im Bahnsegment tätig.

Hintergründe der EuroRail-Gründung

Am 15.10.2001 hatte die EuroRail (Schweiz) AG als Muttergesellschaft der EuroRail (Deutschland) GmbH sowie der EuroRail (Österreich) GmbH Konkurs anmelden müssen. Damit hatte das Unternehmen nur gut ein Jahr Bestand: Gegründet wurde die Gesellschaft zunächst als EuroRail (Schweiz) GmbH mit Sitz in Basel am 26.05.2000, die Eintragung in das dortige Handelsregister erfolgt zum 30.05.2000. Das Stammkapital betrug gemäß schweizer Recht nur 25.000 CHF (Mindestkapital).

Begründer der Idee EuroRail waren die beiden Unternehmer Gustav A. Schulze (48% der Stammanteile), u.a. ehemaliger Marketing-Leiter des KV-Operateurs Intercontainer-Interfrigo (ICF), und Eberhard Fischer (48 % der Stammanteile). Beide verfügen über langjährige Erfahrungen im Bereich des Eisenbahngüterverkehrs, zudem bindet beide eine langjährige Freundschaft. Johanna Nitsche-Neugebauer (4% der Stammanteile), die Witwe des früheren kommerziellen Direktors der ICF, ermöglichte es aufgrund ihres Wohnsitzes im schweizerischen Basel, die Unternehmung in der fiskalisch günstigen Schweiz anzusiedeln. Gemäß schweizer Gesellschaftsrecht muss mindestens ein Gesellschafter einer GmbH im Lande wohnhaft sein.

Über den im Mineralöltransport erfahrenen Wolfgang Ladich entstand der Kontakt zur in Wien ansässigen Gamma Mineralölhandels Ges.m.b.H. und dessen Eigentümer Günter Kloodt. Ladich war bis 31.12.2000 Mitarbeiter der Eisenbahnspedition Chemfreight – einer 50 %igen ÖBB-Tochter in Wien gewesen und brachte umfassende Branchenkenntnisse in die EuroRail ein. Durch seine vorherige Stellung und langjährige Tätigkeit für die ÖBB kannten sich Ladich und Kloodt sen. schon lange Jahre. Im dortigen Kreis, zu dem auch die Geschäftsführerin der damaligen Gamma Mineralölhandels Ges.m.b.H., Helene Moser, gehörte, entstand die Idee der Verbindung von Mineralölhandel und dem dazugehörigen Transport. Folglich wurde die Gründung einer eigenen Eisenbahngesellschaft beschlossen, die man auch als Traktionär der Mineralöltransporte der Gamma anstatt der bisher genutzten Staatsbahnen ÖBB und DB Cargo nutzen wollte. Die zunächst angedachte Strategie, zwecks schnellerem Markteintritt ein bereits bestehendes EVU zu erwerben – umfangreiche Verhandlungen bezüglich einem norddeutschen Eisenbahnunternehmen hatten bereits stattgefunden – wurden jedoch unter der neuen Geschäftsleitung verworfen.

Um die Expansionspläne umsetzen zu können erfolgt per Umwandlungsbilanz vom 20.09.2000 eine Wandlung der GmbH nach vorher erfolgter Erhöhung des Kapitals von CHF 25.000 auf CHF 100.000 in eine AG mit Sitz im steuerlich günstigen Zug statt. Geschäftsinhalt waren An- und Verkauf sowie Organisation von nationalen und internationalen Transportdienstleistungen. Als Gesellschafter fungierten neben der ebenfalls in Zug ansässigen damaligen M.L.K. Holding AG (75%) der spätere Geschäftsführer der deutschen Tochterunternehmung Gustav A. Schulze (12,5%) sowie die Transportorganisation und –planung Fischer GbR (12,5%). Frau Nitsche-Neugebauer schied im Rahmen der Umgestaltungen als Gesellschafter aus. Als weiterer Geldgeber trat mit Günter Kloodt der Eigentümer der österreichischen Gamma Mineralölhandels Ges.m.b.H. auf, der im Rahmen eines Darlehens eine sogenannte Betriebseinlage von weiteren 375.000 CHF einbrachte.

Die treuhänderische Verwaltung des Kapitals (500.000 CHF) der erst am 12.09.2000 gegründeten M.L.K. Holding AG übernahm dabei der langjährige Freund Kloodts, der in Zug wohnhafte Deutsche Jürgen Klüsmann. Dieser war bereits von 09.11.1983 bis 01.09.1995 (Auflösung der Gesellschaft) Präsident der schweizer Gamma-Tochter Gamma-Oil AG in Zug (Aegeristraße 52) gewesen. Interessanterweise wurde zum 21.04.2001 mit der Gamma Oil&Trade AG erneut eine Gamma-Tochter in der Schweiz gegründet, deren Präsident wiederum Klüsmann war (Auflösung der AG am 10.12.2003 beschlossen). Die Geschäftsräume befanden sich wie die der EuroRail (Schweiz) in der Bahnhofstraße 28 in Zug. Da bei einer in der Schweiz angesiedelten AG bei den Mitgliedern des Vorstandes die Mehrheit durch schweizer Staatsbürger besetzt werden muss, wurde Klüsmann im Vorstand der M.L.K. Holding durch Francesco Castellazzi (Vizepräsident) und Andrea Semadeni (Sekretärin – im Sinne des Aktienrechts) ergänzt. Castellazzi ist als Unternehmensberater tätig und zugleich Präsident der Quadris Partner AG, einem Tochterunternehmen der Quadris AG. Bei der Muttergesellschaft, einer Unternehmensberatung, ist Frau Semadeni als Prokuristin bestellt. Die M.L.K. residiert ebenfalls in Zug im gleichen Gebäude wie die Quadris Partner.

Da der designierte Präsident der EuroRail (Schweiz) AG Wolfgang Ladich noch keine Arbeitsgenehmigung in der Schweiz besaß, übernahm Jürgen Klüsmann zunächst den Aufbau des Unternehmens als Interimspräsident. Als Mitglieder des Vorstandes wurden weiterhin der Vizepräsident der M.L.K., Francesco Castellazzi, sowie Dr. Urs Erne, ein schweizer Rechtsanwalt, berufen. Ladich wurde am 28.02.2001 als Präsident der EuroRail (Schweiz) AG statt Jürgen Klüsmann in das Handelsregister eingetragen.

Erste Transporte und neue Tochter EuroRail (Deutschland)

Aufgrund des Gesellschafterhintergrundes konnten bestehende Kontakte im Mineralölgeschäft genutzt werden, der erste Zug in Deutschland verkehrte am 12.12.2000 mit Schweröl von Ingolstadt nach Dortmund, nachdem die Leerwagen am 09.12. von Dortmund zugeführt worden waren. Die eingesetzten Lokomotiven vom Typ NoHAB My und das Zugpersonal wurden zunächst über Vermittlung von Eberhard Fischer, der auch eine EuroRail-Repräsentanz in Würzburg betrieb, bei der Norddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft mbH (NEG) angemietet, als Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) bediente man sich zunächst mangels eigener Konzession des Zweckverbandes Kandertalbahn, einer Museumsbahn in kommunalem Besitz, deren Oberster Betriebsleiter seit August 2000 der EuroRail-Gesellschafter Schulze war. Neben dem raschen Ausbau der Ölverkehre (zuvor größtenteils von DB Cargo abgewickelt) schaffte sich die EuroRail mit dem Transport von Windbruchholz (überwiegend aus dem Schwarzwald) vorübergehend ein zweites Standbein. Als Subunternehmer trat dabei bis Mai 2001 die Dresdner ITL Eisenbahn GmbH auf, welche die Züge mit eigenen Loks und eigenem Personal bespannte.

Für die Traktion der deutschen Züge wurde am 13.03.2001 die EuroRail (Deutschland) GmbH als 100-prozentige Tochter der EuroRail (Schweiz) AG in das Handelsregister eingetragen, Gustav A. Schulze ist dort alleiniger Geschäftsführer. Schnell konnte die EuroRail ihre Verkehre ausbauen, die Schweizer AG akquirierte und kalkulierte dabei die Angebote und Leistungen, die EuroRail (Deutschland) wurde vorrangig als Traktionär genutzt. In das eigentliche Geschäft wie auch die Kalkulation war die GmbH nach Aussage des Geschäftsführers nie involviert.

Aufgrund der schnell wachsenden Transportmengen im Mineralöl- und Holzverkehr reichten die gemieteten Loks schon bald nicht mehr aus. Neben vielen wechselnden Transportrelationen und meist als kurzfristiges Spot-Geschäft wurden v.a. Ganzzüge von Passau nach Neuss Hafen, Dortmund und Emmerich (weiter nach Amsterdam Westhafen) sowie zwischen Neustadt (Donau) und Regensburg-Ölhafen bespannt. Zur wichtigsten Hauptrelation entwickelte sich ab April 2001 der Schweröl-Transport von der Slowakei sowie Österreich über Passau (Übernahme von der ÖBB) und Emmerich (Übergabe an die niederländische Privatbahn ACTS Nederland (heute: HTRS Nederland) nach Amsterdam im Auftrag der Gamma. Von den Niederlanden nach Regensburg wurden Ganzzüge mit Dieselkraftstoff neu für die Schiene gewonnen. Neben den Zügen für Gamma wurden auch Züge für BP und Mabanaft gefahren.

Weitere Loks für die EuroRail

Neben mehreren NoHAB-Loks von Eurotrac/NEG mietete man ab Ende Mai 2001 auch Maschinen der Bauart V200 (M62) durch die EuroRail (Deutschland) aus dem Bombardier-Pool für die Bespannung der Züge an. Ende April konnte die EuroRail (Deutschland) zudem als zusätzliche Traktionsmittel die beiden Loks W232.01 sowie .04 der Ernst Schauffele Schienenverkehrsgesellschaft mbH & Co. KG (ESS) anmieten, am 18. Mai kam es zur Unterzeichnung eines Kaufvertrages, der aber im September 2001 wieder aufgelöst wurde. Aufgrund eines Ende Januar 2002 noch laufenden Rechtsstreits bezüglich der beiden ESS-232 wollte das Unternehmen Schauffele zu den weiteren Gegebenheiten in diesem Zusammenhang derzeit keine Aussagen treffen. Zwischenzeitlich waren beide Loks nach einer Instandsetzung wieder bei ESS im Einsatz. Nach der Rückgabe der W232.01 und 04 an die ESS kamen ab 31.07.2001 vorübergehend auch Doppeltraktionen aus den modernisierten V100.4 „Grasshopper“ und „Weiser Beer“ des Bombardier-Pools vor den Zügen zum Einsatz. Aus dem Bombardier-Lokpool verstärkte außerdem die frisch hauptuntersuchte W232.05 „Helene“ – benannt nach der Gamma-Geschäftsführerin Helene Moser – (ex DB 231 015) bereits ab Mai den EuroRail-Lokomotivpark, im Juni 2001 kam die V180.001 (ex-DB 228 168) des Bombardier-Pools hinzu.

Vom 19.07. bis 14.09.2001 übernahm die EuroRail (Deutschland) zudem die Zuführungsfahrten von Heimboldshausen nach Gerstungen für rail4chem, da diese im Hauptlauf nach Ludwigshafen von Diesel- auf E-Traktion umgestellt hatte.

Als W232.05 schon nach wenigen Monaten im September (Rückgabe am 22.09.2001) wegen verschiedener Schäden ebenfalls nicht mehr dem Betriebsdienst zur Verfügung stand, wurden als Aushilfe kurzfristig eine 145-CL sowie eine W232 von rail4chem angemietet. Doch weitere Defekte an den Loks häuften sich: W232.01 erlitt Anfang Juni 2001 Tatzlagerschäden, V200.006 am 04.06. einen Motorbrand im Bahnhof Altena (Westf.), V170 1147 blieb am 30.06. nahe Bielefeld mit Motorschaden auf der Strecke, V200.010 musste am 20.07. mit Ölaustritt im Würzburger Hbf (der über einem Trinkwasserschutzgebiet liegt) gestoppt werden.

Neben der nach Wassereinbruch schadhaften V200.008 musste die vom 12-14.09. angemietete „Blue Cat“ (V100.4) auch mit einem Schaden in Aschaffenburg abgestellt werden. Wie fast bei allen Lokmietungen trat dabei die deutsche GmbH als Mieter auf, die Kosten wurden an die schweizer AG fakturiert.

Mangelnde Betriebssicherheit?

Vielfach kam es zu Vorwürfen der mangelhaften Wartung von Lokomotiven durch die EuroRail (Deutschland) sowie des schlechten Zustandes der eingesetzten Kesselwagen. Ein Mitarbeiter einer NE-Bahn berichtete dem BAHN-REPORT zudem über einen „auffallend schlechten“ Unterhaltungszustand der Mietkesselwagen. Am 03.05.01 gegen 15.30 Uhr setzte eine feste Bremse am EuroRail-DFG 80376 Passau – Dortmund bei Neustadt/Aisch rund 14 km Bahnböschung partiell in Brand und beschädigte das in Gleismitte liegende LZB-Kabel. Die Strecke musste vorübergehend voll gesperrt werden, das Eisenbahn-Bundesamt stellte den schadhaften Kesselwagen sicher und nahm Ermittlungen auf, die Ende August ergebnislos verliefen: Die genaue Ursache war trotz durchgeführten Untersuchungen nicht feststellbar. Als Mieter der Kesselwagen fungierten in den meisten Fällen die Auftraggeber der Transporte, damit fällt die laufende Unterhaltung nicht in den Zuständigkeitsbereich des Eisenbahnunternehmens. Lediglich von Juli bis Ende August 2001 mietete die EuroRail (Schweiz) für Mabanaft-Transporte Niederlande – Fürth/Regensburg ca. 40 Wagen an.

Auch seitens der Lokvermieter häuften sich die Klagen: Die damalige Vossloh Schienenfahrzeugtechnik GmbH (VSFT), welche die NoHAB-Loks zwischenzeitlich vom Schwesterunternehmen EuroTrac übernommen hatte, zog nach eigener Aussage angesichts ausbleibender Mietzahlungen und mangelhafter Ausführung der Fristarbeiten die Notbremse und ließ die Loks am 06.08. vorübergehend betrieblich durch die DB Netz AG stilllegen (d.h. die Loks durften den Bahnhof, an dem sie sich befanden, nicht mehr verlassen). Trotz dieser Anweisung verkehrten die Maschinen V170 1131 und 1138 nach Aussage des Vermieters weiterhin vor Zügen. Die Verhandlungen nach Stilllegung der Maschinen führten letztlich mit Datum 30.08.2001 zum Verkauf der fünf NoHABs V170 1127, 1138, 1149, 1151 sowie 1155 an die EuroRail (Schweiz), die Wartung erfolgt aber weiterhin durch den Werkstattstützpunkt Haldensleben der EuroTrac. Noch am selben Tag wurden alle Lokomotiven an die Wiener Gamma weiterveräußert, da die EuroRail (Schweiz) nicht über die nötigen Finanzmittel zum Kauf der Maschinen verfügte.

Weitere Tochter & Streit über Trassenentgelte

Als weitere 100%-Tochter der EuroRail (Schweiz) wurde im Juni 2001 die EuroRail (Österreich) GmbH gegründet, deren Geschäftsführer Gerald Retscher, vormals Marktbereichsleiter Mineralöl/Chemie bei der Generaldirektion der ÖBB in Wien war. Die EuroRail (Österreich), deren Stammkapital 40.000 EUR betrug, trat jedoch nicht in Erscheinung. Nachdem für die EuroRail-Verkehre in Deutschland bisher weiterhin die Kandertalbahn als EVU genutzt und die Rechnungen an die schweizer EuroRail AG weitergereicht wurden, folgte Anfang September 2001 die Zulassung der EuroRail (Deutschland) als EVU. Da die EuroRail (Schweiz) aufgrund des verschobenen Starts des neuen Trassenpreissystems (TPS) der DB Netz AG nicht bereit war, die aufgrund der späteren Realisierung (01.04. statt 01.01.2001) entstandenen zusätzlichen Kosten zu tragen, wurden im ersten Halbjahr 2001 einige Rechnungen der DB Netz AG an den ZV Kandertalbahn durch die EuroRail (Deutschland) nicht beglichen. Die durch die spätere Einführung des neuen TPS entstandenen Kosten bezifferte der Geschäftsführers der EuroRail (Deutschland) mit rund 175.000 DM. Seitens der EuroRail (Schweiz) wollte man den Ausgang des angeblich durch ein deutsches Eisenbahnunternehmen angeschobenen Verhandlung abwarten. Als Folge wurde nach Aussage des Geschäftsführers der EuroRail (Deutschland) als bisher auftretendem Traktionär die Trassenvergabe verweigert. Im Folgenden nutzte man die bestehenden Kontakte zur Neckar-Schwarzwald-Alb Eisenbahnbetriebsgesellschaft mbH (NeSA), mit der man in Kooperation Bauzugdienste abwickelte und die Trassenbestellungen für EuroRail-Bauzüge übernahm.

Das Ende nach nur einem Jahr

Die bereits seit April 2001 andauernden Differenzen zwischen dem Vorstand der EuroRail (Schweiz) und dem Aktionär Fischer führten im August 2001 zum Ausscheiden des Würzburger Unternehmers. Die Anteile der EuroRail-Muttergesellschaft entfielen nun auf M.L.K. (85,7 %) sowie Gustav A. Schulze (14,3 %).

Bereits Mitte September zeichnete sich eine Wende im Aufwärtstrend der EuroRail ab. Nach Auskunft des ehemaligen Präsidenten der EuroRail (Schweiz) führte die unklare finanzielle Lage, v.a. in Bezug auf die deutsche Tochter, zu einer Verlagerung des Großteils der umfangreichen Transporte für Gamma auf DB Cargo, bzw. die damalige Railion Benelux (in den Niederlanden). Laut Auskunft der Gamma-Geschäftsführerin Moser waren jedoch die durch EuroRail nicht in der vereinbarten Qualität erbrachten Dienstleistungen Hauptgrund für den Abzug der Transporte. Dem hält die EuroRail (Deutschland) entgegen, dass nach Konkurs der Zuger AG mehrere Kunden eine Fortführung der Transporte wegen der hohen Qualität durch die EuroRail (Deutschland) wünschten. Von diesem Zeitpunkt an wurden die seitens der EuroRail (Deutschland) für die Traktionsleistungen in Rechnung gestellten Beträge durch das Schweizer Mutterunternehmen nach Aussage des Geschäftsführers der GmbH nicht mehr beglichen.

Nachdem die durch den Präsidenten der EuroRail (Schweiz) prognostizierten hohen Gewinne angesichts der Entwicklungen nicht mehr glaubwürdig erschienen, wurde die bisherige Einzelunterschrift Ladichs per 02.10.2001 zunächst in eine Kollektivunterschrift zu zweien umgewandelt. Da sich die vorgefundene Finanzlage nur sehr unklar darstellte und den bestehenden Rechnungsschulden nun kaum mehr Einnahmen gegenüberstanden, wurde auf der Gesellschafterversammlung am 12.10.2001 ein Konkursantrag beschlossen. Das Konkursamt Zug eröffnete daraufhin am 15.10.2001 das Konkursverfahren. Über den Grund des Konkurses war nur wenig zu erfahren, die fehlerhaften Kalkulationen, die mangelhafte Buchführung sowie das zu schnelle Unternehmenswachstum dürften aber nach Aussage mehrerer Beteiligter als Hauptgründe angesehen werden.

Das Konkursverfahren der EuroRail (Schweiz) wurde am 08.07.2003 abgeschlossen. Dabei konnten die Gläubiger mit privilegierten Forderungen (1. und 2. Klasse) voll ausbezahlt werden. Die übrigen Gläubiger (3. Klasse) erhielten eine Dividende von 10,59 Prozent und erlitten einen Verlust von rund 3,20 Mio. CHF.

Das Ende der EuroRail-Töchter

Das vorläufige Aus der schweizer EuroRail hatte zunächst kaum Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit der deutschen Tochter. Weiterhin verfügte diese noch über die Mietlokomotiven V170 1127, 1149, 1151 und 1155, die wochenweise durch den neuen Eigentümer Gamma vermietet wurden. Die aus dem Bombardier-Pool stammenden V180.001 und V200.010 wurden am 13.11. bzw. 07.12.2001 zurückgegeben. Die beiden V100 „Weiser Beer“ und „Grasshopper“ beendeten am 24.09. bzw. 20.12. ihre Mieteinsätze.

Die EuroRail (Deutschland) setzte Ihre noch vorhandenes Personal sowie gemietete Loks ausschließlich im Bauzugdienst in Kooperation mit der NeSA, Eisenbahn-Logistik-Pirna GbR (ELP) sowie Logistik und Transport (LUT, Rahmenvertrag von Juni bis Dezember 2001) ein.

V170 1138 der Gamma, bereits Mitte September nach einem Kühlerschaden in Neuss abgestellt, wurde am 19.11. nach Dortmund zur Reparatur geschleppt. Aufgrund von Fristabläufen trafen am 27.12. auch die Loks 1151 und 1155 in Haldensleben (EuroTrac) ein, Ende Januar waren dort mit V170 1125 und 1149 alle weiteren Gamma-Loks abgestellt.

Nachdem Lokomotivvermieter vehement noch ausstehende Mietschulden einforderten, sah sich die deutsche EuroRail gezwungen, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen. Bei den an die GmbH als EVU, Lokomotivmieter und Auftraggeber von Werkstattleistungen herangetragenen Forderungen handelt es sich nach Auskunft des Geschäftsführers u.a. um die noch ausstehenden Mietforderungen der Firmen Bombardier bzw. Schauffele in Höhe von rund 300.000 EUR. Der ZV Kandertalbahn verlangte zudem von der EuroRail (Schweiz) die Erstattung von ca. 600.000 EUR für bestellte Zugtrassen.

Zwischenzeitlich hatte der ZV zudem festgestellt, dass der ehemalige oberste Betriebsleiter (Schulze hatte sein Amt im November 2001 niedergelegt) und gleichzeitige Geschäftsführer der deutschen EuroRail ohne Vollmacht des Zweckverbandes Kandertalbahn Trassenbestellungen abgeschlossen hatte. Die Auseinandersetzung konnte jedoch gütlich beendet werden. Grundlage für den Abschluss des Vergleiches war die Zusage der Haftpflichtversicherung auf Kostenübernahme in Höhe des Vergleichsbetrages. Mit diesem Ergebnis konnte nach langwierigen Verhandlungen mit Erfolg Schaden vom Zweckverband und der Stadt Kandern abgewendet werden. Die außergerichtliche Einigung sah folgende Regelung vor:
1. Zur Abgeltung der streitigen Forderung werden an die DB Netz AG 245.420 Euro bezahlt, dies entspricht ca. 40% der Forderungen.
2. Die Zahlung hat bis zum 01.06.2002 (Zahlungseingang) zu erfolgen.
3. Nach Zahlung des Vergleichsbetrages wird die Kündigung des Trassennutzungsvertrages zurückgenommen bzw. der Vertrag neu geschlossen.
4. Jede Partei behält die bei ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten auf sich.

Die Anfang Februar 2002 noch bei EuroRail (Deutschland) beschäftigten elf Lokführer und ein Lokführer/Wagenmeister wurden weiterhin für Überführungsfahrten von Bombardier genutzt sowie an die Firmen ELP und NeSA verliehen. Pikanterweise stammt ein Teil der EuroRail-Lokführer aus dem Bestand der im April 2001 Konkurs gegangenen EBGO aus Dresden. Deren direkte Nachfolgegesellschaft ist die ebenfalls in Pirna angesiedelte ELP, die sich wie auch schon die EBGO im Besitz des Ehepaares Vogel befindet.

Die EuroRail (Österreich) GmbH befand sich ebenfalls Ende Januar 2002 in der Auflösung, nachdem Verkaufsversuche ohne Ergebnisse verlaufen waren.

Die EVU-Zulassung der Eurorail (Deutschland) GmbH wurde am 01.12.2004 durch die Aufsichtsbehörde widerrufen. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 02.04.2002 durch das Amtsgericht Lörrach mangels Masse abgewiesen. Die Löschung des Unternehmens wurde a 25.07.2005 in das Handelsregister eingetragen.

Was weiter geschah…

Am 06.02.03 gründete Gustav A. Schulze die AERS Rail Services Deutschland GmbH mit Sitz in Eisenach (heute: Lörrach), dem seine Frau als Geschäftsführerin vorsteht. Gegenstand: Planung, Einkauf, Organisation, Verkauf, Vermittlung, Durchführung und Überwachung von Transportleistungen jeder Art, vor allem auf den europäischen Bahnnetzen, Güterverkehr im Selbsteintritt ausgenommen, die Entwicklung und Implementierung logistischer Konzepte, die An- und Vermietung von Fahrzeugen, Ladenmitteln und -flächen sowie das Erbringen transportergänzender Dienstleistungen und ähnliche Tätigkeiten. Die Gesellschaft vermittelt u.a. auch Personal an die Unternehmen TX und rail4chem.
Vom 08.08.2003 bis 17.08.2005 war Schulze zudem geschäftsführender Gesellschafter (5% der Gesellschafteranteile) der TX Logistik GmbH, Basel als Tochter der Bad Honnefer TX Logistik AG. Ende 2004 geriet die schweizer Tochter wegen angeblicher Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz in die Schlagzeilen, im Mai 2005 erhob das BAV sogar Anklage gegen die schweizer TX.
Nebenberuflich ist Schulze zudem 1. Vorsitzender des Deutscher Tarifeur-Verein e.V..

Eberhardt Fischer engagiert sich weiterhin im Bahnbereich. Dies betrifft v.a. beratende Tätigkeiten im Bereich der holzverarbeitenden Industrie im südthüringischen Raum. Anfang 2005 war er als Vorstand der Initiative Hoellennetz im Gespräch.

Gerald Retscher wechselte zur AG der Wiener Lokalbahnen (WLB) und übernahm dort erfolgreich den Aufbau eines Containerzugnetzes und später die Geschäftsführung der ausgegründeten Wiener Lokalbahnen Cargo GmbH (WLC).

Wolfgang Ladich konnte seit der Insolvenz der EuroRail(Schweiz) AG im Bahnbereich nicht mehr ausfindig gemacht worden.

Die Generalversammlung der M.L.K. HOLDING AG vom 25.11.2002 hat die Liquidation des Unternehmens beschlossen. Gemäß Tagebuch Nr. 1441 vom 09.02.2004 wurde die Liquidation des Unternehmens abgeschlossen, die Firma ist erloschen.

Die Familie Kloodt, von einem Beteiligten als „bizarre Neureichenszene“ beschrieben, verkaufte die Gamma Mineralölhandels GmbH Ende Januar 2003 an die deutsche Marquard & Bahls. Gamma-Chefin Helene Moser wechselte als Geschäftsführerin zum Mineralöl-Grosshändler Mabanaft (ebenfalls Tochter der M&B) und übernahm einige Jahre die Geschäftsführung der in Mabanaft Austria umbenannten Gamma.
Heute (Dezember 2011) findet man die Kloodts weiterhin im österreichischen Handelsregister:

GKW Vermögensverwaltung GmbH

  • Sitz: Frimmelgasse 4, A-1190 Wien
  • Gesellschafter: Günter Kloodt (100%)
  • Geschäftsführer: Günter Kloodt, Stefan Kloodt
  • Kapital: EUR 35.000

Gamma-Trade-Import GmbH

  • Sitz: Frimmelgasse 4, A-1190 Wien
  • Gesellschafter: GKW Vermögensverwaltung GmbH (100%)
  • Geschäftsführer: Dr. Elisabeth Kloodt, Stefan Kloodt
  • Gründung: 27.08.1991
  • Kapital: EUR 37.000
  • Mitarbeiter: 3

„PRONTO – OIL“ Mineralölhandels-Gesellschaft m.b.H.

  • Sitz: Gerbergasse 32, A-9500 Villach
  • Gründung: 04.12.1980
  • Groß- und Einzelhandel mit Mineralölprodukten Vergasertreibstoffe sowie Vermittlung von Handelsgeschäften aller Art.
  • Internet: www.pronto-oil.at
  • Gesellschafter früher: Günter Kloodt (50%), Dietmar Lassnig (25%), Elda Lassnig (5%), Robert Lassnig (10%), Christine Ollinger (10%)
  • Gesellschafter Dezember 2011: INTERCHEM Handelsgesellschaft m.b.H. (50 %, Gesellschaft zu 100 % im Eigentum Ing. Boris Kalcic), Michael Kloodt (25 %), Stefan Kloodt (25 %)
  • Geschäftsführer: Siegfried Florianz
  • Kapital: EUR 36.400
  • Mitarbeiter: 5

MSKV Trade GmbH

  • Sitz: Frimmelgasse 4, A-1190 Wien
  • Internet: www.mskv.at
  • Großhandel mit Mineralölprodukten. Importe: fallweise Deutschland
  • Gründung: 05.12.2005
  • Mitarbeiter: 1
  • Geschäftsführer: Michael Kloodt
  • Gesellschafter: Michael Kloodt (51 %), Stefan Kloodt (49 %)

Der Text basiert auf einem von mir verfassten und Bericht in Bahn-Report 2/2002, der erweitert und aktualisiert wurde.

  1. 22. Juli 2012, 17:43 | #1

    wow, super spannender Artikel! Danke dafür! : )

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